Umverteilen gegen Ungleichheit – aber wie?

Hümbelin, Oliver (23 January 2023). Umverteilen gegen Ungleichheit – aber wie? In: Caritas Forum 2023: Ungleichheit in der Schweiz. Eventforum, Fabrikstrasse 12, Bern. 27. Januar 2023.

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Der ausgeprägte Föderalismus ist eine Besonderheit der Schweiz, die sich insbesondere auf die Umverteilung und den Umgang mit den Reichsten (bei den Steuern) sowie den Ärmsten der Bevölkerung niederschlägt. In Bezug auf Leistungen für Einkommensschwache wird den Kantonen viel Spielraum gewährt, was sich in Unterschieden bei den Bedarfsleistungen wie der Ausgestaltung der Prämienverbilligungen und anderen, der Sozialhilfe vorgelagerten Leistungen wie Ergänzungsleistungen für Familien zeigt. Die Debatten um den Teuerungsausgleich und die Prämienverbilligungen im Bundesparlament machten dies in den letzten Monaten wieder anschaulich. So finden sich erhebliche kantonale Unterschiede bei der Verteilung der Einkommen und der umverteilenden Wirkung der kantonalen Steuer- und Sozialleistungssysteme. Der Föderalismus eröffnet die Möglichkeit, das System auf die lokalen Bedürfnisse und Anliegen abzustimmen, birgt aber die Gefahr eines «Race to the bottom» bei Steuern und Sozialleistungen und kann zu ungewollten Effekten führen. Es ist fraglich, ob bei so zentralen Fragen wie der Existenzsicherung grosse Unterschiede wirklich erwünscht und legitim sind, da sie mit Ungerechtigkeiten für die Betroffenen verbunden sind. Im internationalen Vergleich fällt hierzulande die Einkommensungleichheit weniger ins Gewicht als die ausgeprägten Vermögensunterschiede. Die Schweiz ist zwar eines der wenigen Länder, in denen überhaupt eine Vermögenssteuer erhoben wird. Sie greift aber erst ab Nettovermögen deutlich über 200’000 Franken. Gesamtgesellschaftlich fällt die ausgleichende Wirkung der Vermögens- im Vergleich zur Einkommenssteuer wenig ins Gewicht. Rund 90 Prozent der direkten Steuern entfallen auf die Einkommen; lediglich 10 Prozent der Steuersumme werden aus der Vermögenssteuer generiert. Das kommt daher, dass die Steuersätze auf Vermögen deutlich geringer sind als jene auf die Einkommen. Aus Vermögen von einer Million Franken fallen jährlich rund 4000 Franken Steuern an, wobei sich die Beträge von Kanton zu Kanton unterscheiden. In der Stadt Bern fallen Einkommenssteuern in dieser Höhe bei einer ledigen Person bereits bei einem knapp über der Armutsgrenze liegenden Jahreseinkommen von 32’000 Franken an. Brisant wird es, wenn genauer hingeschaut wird, woher die hohen Vermögen stammen. Es zeigt sich nämlich, dass jeder zweite Vermögensfranken in der Schweiz geerbt ist. Wie viel und in welchem Ausmass umverteilt wird, ist letzten Endes eine politische Frage. Wie aber lässt sich die Ungleichheit «von unten» verringern? In Anbracht dessen, dass das Sozialhilferisiko bei Minderjährigen am höchsten ist, dass viele Familien an der Armutsgrenze leben und die Schweiz in Sachen Familienpolitik im europäischen Vergleich deutliche Defizite aufweist, besteht hier Handlungsbedarf. Dazu gibt es in der Schweiz aktuell verschiedene Ansätze, die weiterverfolgt oder gestützt werden müssen. Zentral ist ein nationales Armutsmonitoring, das die föderale Organisation angemessen abbildet. Tatsächlich ist der Bundesrat gegenwärtig daran, ein solches einzuführen. Damit können Armutslagen im Wandel der Zeit beobachtet und Analysen auf Kantonsebene vorgenommen werden. Massnahmen zur Stärkung der finanziellen Lage von Menschen mit wenig Einkommen lassen sich so überprüfen und weiterentwickeln. Daneben gilt es Armut präventiv zu bekämpfen und die Existenzsicherung und Teilhabe jener im Auge zu behalten, die unmittelbar von Armut betroffen sind. Das heisst, Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, müssen ausreichend Ressourcen zugestanden werden.

Item Type:

Conference or Workshop Item (Speech)

Division/Institute:

School of Social Work > Institute for Social Security and Social Policy
School of Social Work

Name:

Hümbelin, Oliver0000-0002-8983-9958

Subjects:

H Social Sciences > H Social Sciences (General)
H Social Sciences > HM Sociology
H Social Sciences > HN Social history and conditions. Social problems. Social reform

Language:

German

Submitter:

Oliver Hümbelin

Date Deposited:

30 Jan 2023 15:04

Last Modified:

01 Feb 2023 09:42

Additional Information:

Die Erlaubnis, diese PDF-Datei im ARBOR-Repository zu veröffentlichen, wurde eingeholt

ARBOR DOI:

10.24451/arbor.18800

URI:

https://arbor.bfh.ch/id/eprint/18800

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