Hirsch, Thilo; Haiduk, Marina (19 June 2021). Die leisen Klänge der Macht – Das Rebecchino im Kunsthistorischen Museum Wien In: Sounds of Power - Sonic Court Rituals In- and Outside Europe in the 15th - 17th Centuries. Bern, Universität. 17.–19 Juni 2021.
Full text not available from this repository. (Request a copy)Auch wenn man bei der musikalischen Repräsentation höfischer Macht im ersten Moment vielleicht eher an laute Instrumente wie Trompeten, Schalmeien und Perkussionsinstrumente denkt, spielten auch die leiseren Streich- und Zupfinstrumente an den Höfen des 15. und 16. eine wichtige Rolle. Einer dritten Kategorie gehörten vielleicht jene Instrumente an, bei welchen die äusseren Gestalt den Vorrang vor der akustischen Funktion hatte. In der Sammlung alter Musikinstrumente des Kunsthistorischen Museums in Wien, die auch mehrere Instrumente aus der Ambraser Kunstkammer Erzherzog Ferdinands II. beinhaltet, befindet sich ein Rebecchino, dessen ursprünglich Provenienz hingegen unbekannt ist. Obwohl nur der Korpus (ohne Decke und Griffbrett) des Instruments erhalten ist, wurde dieser bisher, aufgrund einer allgemeinen organologischen und kunsthistorischen Einschätzung, als italienische Arbeit des 15. Jahrhunderts katalogisiert. Eine kritische Neuuntersuchung des Instruments (inkl. Photogrammetrie und Röntgen) im Rahmen des “Rabab & Rebec”-Projekts an der Hochschule der Künste in Bern war die Voraussetzung für seine weitergehende organologische und kunstgeschichtliche Einordnung. Dabei kam den geschnitzten Elementen auf den Seitenwänden des Korpus eine besondere Rolle zu, da sie konkrete Hinweise auf die Originalgestalt des Instruments lieferten. In Verbindung mit ikonographischen Quellen aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert (Italien und Süddeutschland) erscheint es sehr wahrscheinlich, dass es sich beim Rebecchino ursprünglich um ein Instrument handelte, dessen unterer Deckenbereich mit einem Tierfell als “Resonanzboden” bespannt war. Da dieser spezielle Instrumententyp später nicht mehr belegt ist, erscheint eine Datierung in das 15. und frühe 16. Jahrhundert aus organologischer Sicht sinnvoll. Als mögliche Provenienz kommt jedoch neben Italien auch Süddeutschland in Frage. Weitere Erkenntnisse zu einer möglichen Datierung und ursprünglichen Funktion des Rebecchino lieferte die kunsthistorische Analyse des Instruments. Die Besonderheit des Instrumentenkorpus ist seine skulpturale Ausarbeitung, wobei die Rückseite fast flächendeckend eine plastisch angelegte nackte weibliche Standfigur mit gelösten Haaren zeigt. Der angedeutete Impuls, den entblössten Körper mit den Händen vor Blicken zu schützen, der dem Typus der Venus pudica entspricht, bleibt hier jedoch unerfüllt, sind doch beide Brüste und auch die Schamlippen weiterhin deutlich sichtbar. Zwei Elemente, die den Körper gleichsam einrahmen, dienen dabei gleichzeitig zur Wahrung des decorum, die doppelt um den Hals geschwungene Perlenkette mit dem Korallenanhänger und die Plateauschuhe (Chopine). Die Weinranken, Früchte und Blüten der geschnitzten Seitenwände unterstützen eine Deutung als Liebesgöttin Venus, ein im 15. und 16. Jahrhundert äusserst beliebtes Sujet. Obwohl es sich bei dem Rebecchino um ein spielbares Musikinstrument handelt, ist aufgrund der minimalen Dimensionen seines Resonanzkörpers zu vermuten, dass es nicht in erster Linie zum musikalischen Spiel gedacht war. Am wahrscheinlichsten erscheint die Hypothese einer Inszenierung im Kontext einer höfischen Kunst- oder Wunderkammer, in der Mirabilia verschiedener Gattungen aufbewahrt wurden, die nur einem kleinen Kreis von Eingeweihten enthüllt und vorgeführt wurden. In einem solchen intimen Rahmen kann ein Instrument wie das Rebecchino weltlichen Repräsentationsansprüchen genügen, indem es – neben seiner symbolisch-humanistischen Bedeutungsebene – einem (wohl meist männlichen) Besucher das exklusive Erlebnis der sinnlichen Berührung ermöglicht: Sobald man das Instrument in Spielhaltung hält, transformiert es sich ganz “zufällig” in ein erotisches Objekt, da Scham und Beine der Venus direkt in der Greifhand des “Spielers” zu liegen kommen. Dabei dürfte der eher leise Klang des Rebecchino wohl zweitrangig gewesen sein.
Item Type: |
Conference or Workshop Item (Paper) |
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Division/Institute: |
Bern Academy of the Arts Bern Academy of the Arts > Institute Interpretation Bern Academy of the Arts > Institute Interpretation > Performance and interpretation Bern Academy of the Arts > Institute Interpretation > Musical Instruments |
Name: |
Hirsch, Thilo0000-0001-7707-7469 and Haiduk, Marina |
Subjects: |
M Music and Books on Music > M Music |
Projects: |
[UNSPECIFIED] Rabab & Rebec: Erforschung von fellbespannten Streichinstrumenten des späten Mittelalters und der frühen Renaissance und deren Rekonstruktion |
Language: |
German |
Submitter: |
Thilo Hirsch |
Date Deposited: |
16 Aug 2021 14:21 |
Last Modified: |
23 Dec 2021 15:12 |
Related URLs: |
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Uncontrolled Keywords: |
musicology, organology, art history, Alte Musik, Historische Aufführungspraxis |
URI: |
https://arbor.bfh.ch/id/eprint/15189 |