#CombatCovid – die Rolle von Autorenplakaten in Krisenzeiten

Neben digitalen Medien und sozialen Netzwerken erlebt auch das Plakat dieser Tage eine Blüte. In New York füllen bekannte Grafik Designer*innen wie Paula Scher, Milton Glaser oder Jessica Hische mit ihren Plakaten der Kampagne #CombatCovid gerade die (digitalen) Plakatsäulen der Stadt. Die vom New Yorker Plakatmuseum Poster House und dem Magazin Print initiierte Kampagne soll auf bunte und vielfältige Weise zeigen, wie man sich vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus am besten schützt, da die staatlich herausgegebenen Verhaltensregeln offenbar nicht immer klar verständlich seien.

Plakatwand von Maira Kalman
[Photo: Ian Douglas/courtesy Poster House and Times Square Arts]

Poster von Paul Sahre , Zipeng Zhu, Jessica Hische und Joe Hollier.
[Photos: courtesy Poster House and Times Square Arts]

Viele dieser Plakate stehen visuell in einem grossen Gegensatz zu den Informationsplakaten zur Corona-Pandemie staatlicher Public Health Strategien. Dass die offiziellen Plakate anders aussehen und dass sie inhaltlich alle ähnlich aufgebaut sind, ist kein Zufall, denn Gestaltung und Inhalt der staatlichen Informationen basieren oft auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zu wirksamer Gesundheitskommunikation (evidenzbasiertes Design) und folgen nicht den gleichen Richtlinien wie das Kulturplakat.

Offizielle Public Health Kampagnen: Funktionales Design bestimmt die Gesundheitskommunikation.
[The Department of Health, Pennsylvania; Bundesamt für Gesundheit BAG, Schweiz; Department of Health and HSE Health Protection Surveillance Centre, Government of Ireland]

Staatliche Informationsplakate zur Aufklärung der Bevölkerung über das Verhalten während der Zeit der Corona-Pandemie sollen demnach primär auf ihre intendierte Wirkung hin beurteilt werden und nicht auf deren ästhetischen Gehalt. (Vgl. hierzu auch den Beitrag von Arne Scheuermann zur visuellen Kommunikation des Schweizerischen Bundesamtes für Gesundheit BAG auf diesem Blog). Hierbei wird dem Informationsplakat eine eindeutige Funktion zugewiesen: es soll – wie der Name sagt – in erster Linie informieren. Da dabei die gesamte Bevölkerung angesprochen werden und diese die Botschaft der Regierung auch verstehen soll, muss die Information unmissverständlich und niederschwellig zugänglich sein. Die Ergänzung durch einfache visuelle Informationen in Form von Piktogrammen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Botschaft auch für fremdsprachige oder bildungsferne Personen verständlich ist [1]. Die flächendeckende Wiederholung der Sujets im öffentlichen Raum unterstützt die Erinnerung [2]. Hohe Wiedererkennbarkeit und die seriöse Anmutung verweisen optisch auf den «offiziellen» Absender. In der Robustheit ihrer Gestaltung erfüllen diese Plakate also ihren Zweck.

Autorenplakate stellen einen anderen Anspruch an die Ästhetik. Und dies zu Recht – gerade auch in Zeiten von Corona, wenn visuelle Ablenkung im Alltag gewünscht wird. Die ästhetische Wirkung von Autorenplakaten und Informationsplakaten miteinander zu vergleichen, macht daher nur Sinn, wenn ihre unterschiedlichen Absichten berücksichtigt werden. Autorenplakate setzen sich auf künstlerische Weise mit einem gesellschaftlich relevanten Thema auseinander und ergänzen somit Public Health Kampagnen. Ihr Zweck ist nicht in erster Linie die reine Informationsvermittlung, sondern sie zeigen, dass der gesellschaftliche Diskurs um die Massnahmen gegen die Covid-19-Pandemie in der Öffentlichkeit angekommen ist. Dabei werden die wichtigsten Botschaften (bspw. Verhaltensregeln wie Abstand halten, Hände waschen, aber auch soziale Aspekte wie Solidarität, #StayHome, Unterstützung für Pflegepersonal) aufgegriffen und so auf mannigfaltige Weise wiederholt und verbreitet. Dadurch werden andere Zielgruppen angesprochen und durch die vielfältigen Wiederholungen die eigentliche Botschaft weiterverbreitet. So schaffen die Plakate eine Art Gemeinschaftsgefühl («Zusammen sind wir stark», «You’re not alone»). Einen ähnlichen Weg gehen auch andere Beispiele, wie etwa der offene Brief von Richard van der Laken, CEO von WhatDesignCanDo, das «Bleibt zu Hause»-Plakat des französischen Illustrators Mathieu Persan oder die Pandemie-Emojis der New Yorker Agentur &Walsh.

Die Plakatkampagne #CombatCovid in New York wird im Artikel von Evan Nicole Brown auf Fast Company denn auch als «Covid-19 public art show» bezeichnet und somit eher im weiteren Bereich der Kunst und nicht des Informationsdesigns verortet. Kunst und Kultur sind essenziell, auch in Krisenzeiten. Sie ermutigen uns durch Humor, Überraschungsmomente, Schönheit oder offene Fragen unser Handeln zu reflektieren und Verhaltensmuster zu ändern. Juan Delcan umschreibt die Aufgabe von Künstler*innen in diesem Artikel von Natasha Hitti auf dezeen.com so: «We artists can help by creating something useful that can make a difference.».

Autorengrafik und Design für Gesundheitskommunikation befruchten sich im besten Fall gegenseitig. Schlecht funktionierendes Informationsdesign wird durch Designer*innen kritisch reflektiert und neue Gestaltungslösungen werden bestehenden entgegengesetzt. Die entstanden Ansätze und deren erzielte Wirkung wiederum können das Aussehen künftiger Informationskampagnen beeinflussen.

Kunst- und Informationsplakate haben schlussendlich also dieselbe Absicht – die Menschen zu angepasstem Verhalten zu bewegen –, aber der Weg dorthin ist ein anderer.

[1] Houts, P., Doak, C.C., Doak, L.G., & Loscalzo, M.J., (2006). The role of pictures in improving health communication: A review of research on attention, comprehension, recall and adherence. Patient Education and Counseling. 61: 173–190.

[2] Safeer, R. S., & Keenan, J. (2005). Health Literacy: The Gap Between Physicians and Patients. American Academy of Family Physicians. 72: 463–468.

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Beatrice Kaufmann

Beatrice Kaufmann works as a research associate at the Bern University of the Arts (HKB). Her field of interest is health care communication design and social design. She has extensive practical experience as a graphic designer and illustrator.

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