Wie sag ich’s meinem Kind?

Die Flut an Informationen, die seit dem Ausbruch der Pandemie über das Corona-Virus und Covid-19 verbreitet worden ist, ist immens. Viele dieser Informationen sind verwirrend, zum Teil widersprüchlich oder wirken beängstigend. Erwachsene können diese Informationen meist einordnen und nachvollziehen. Kinder hingegen, die einen Grossteil der Informationen nicht verstehen und auch das Verhalten der Erwachsenen nur bedingt interpretieren können, können dadurch verunsichert sein. Warum sind meine Eltern so angespannt, obwohl doch alle gemeinsam zuhause sein können? Warum darf ich meine Freund*innen oder Grosseltern nicht mehr sehen? Und was ist «das Corona» überhaupt, von dem jetzt alle ständig reden?

 

Das Virus für Kinder begreifbar machen, trägt zum Verständnis bei.

Auch ohne die Inhalte genau zu verstehen, spüren Kinder, dass in ihrem Alltag etwas geschieht. Damit Kinder diese Veränderungen im Alltag nachvollziehen können, müssen Erwachsene ihnen diese erklären, ohne sie mit den Informationen zu überfordern. Die Kinderrechte gestehen jedem Kind das Recht auf Information zu. Das heisst, Kinder haben ein Recht auf freien Zugang zu kind­gerechten Informationen und Me­dien [1]. Ein wichtiger Grundstein von Gesundheitskompetenz ist zugängliche und adäquat aufbereitete Information. Wie aber kann man kindgerecht erklären, was sich gerade verändert und warum?

Seit die Corona-Pandemie in unserem Alltag angekommen ist, fragen sich viele Eltern (aber auch Lehrer*innen oder Betreuungspersonen), wie sie ihren Kindern altersgerecht die aktuelle Situation erklären können. Dies einerseits in Bezug auf die medizinischen Fakten, andererseits hinsichtlich deren wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen. Gefragt sind aber auch ganz einfache, alltagstaugliche und für Kinder verständliche Handlungsanweisungen, beispielsweise um die Hygienevorschriften des Bundes umzusetzen.

Die folgenden Grundsätze wurden unter Einbezug verschiedener Quellen zusammengestellt und dienen als Orientierung, um Kinder dabei zu unterstützen, die aktuellen Geschehnisse zu verstehen und einzuordnen:

  • Eine einfache Sprache benutzen (keine Fremdwörter verwenden, Metaphern benutzen)
  • Nahe am Alltag bleiben (Was bedeutet das für uns als Familie konkret?)
  • Ehrlich sein und auch sagen, wenn man etwas selber nicht weiss oder versteht (Wie lange dauert das denn noch?)
  • Die Angst nehmen (Kinder haben meist nur milde Symptome. / Wenn wir uns an die Regeln halten, sind wir sicher.)
  • Den Kindern erklären, was sie persönlich tun können, um mitzuhelfen (Hände gründlich waschen, Distanzregel einhalten)
  • Die Informationen gemeinsam mit den Kindern recherchieren

Die Unsichtbarkeit des Virus erschwert die Informationsvermittlung an Kinder natürlich. Auch Distanz- und Hygieneregeln haben keinen direkten, sichtbaren Effekt. Ausserdem erkranken Kinder kaum an Covid-19 und wenn doch, sind die Symptome und der Verlauf meist mild. Für Kinder ist es deshalb schwierig nachzuvollziehen, weshalb es wichtig ist, sich an einschneidende Verhaltensregeln zu halten. Viele Informationsangebote versuchen deshalb, das Virus fassbarer zu machen, indem es visualisiert wird.

Aus der Literatur ist bekannt, dass erklärende Bilder das Verständnis von gesundheitsbezogenen Informationen unterstützen [2]. Die Verwendung einer einfachen Sprache in Kombination mit Bildern, wie dies z. B. in Comics der Fall ist, ist daher eine gute Strategie, um Informationen für Kinder verständlich zu übermitteln [3]. Wichtig sind dabei einfache, charakteristische und eindeutige Darstellungen. Eine Identifikationsfigur erleichtert den Kindern den Zugang zum Inhalt. Tendenziell bevorzugen Kinder dabei einfache, freundliche comichafte Figuren, mit überzeichneten Gesichtszügen, bei denen die Mimik gut ablesbar ist [4]. Ausserdem schätzen Kinder humorvolle Elemente, gerade auch bei schwierigen Themen [3].

Schnell haben sich im Internet, in den sozialen Medien und auch auf offiziellen Kanälen Informationsangebote für Kinder zur aktuellen Pandemie verbreitet. Die meisten davon stehen gratis zur Verfügung. Im Folgenden wird anhand von Beispielen versucht, eine Einschätzung zu machen, welche Angebote kindgerecht sind und einem besseren Verständnis dienen.

Einfache Experimente, die sich zu Hause selber nachmachen lassen, haben einen hohen Lerneffekt. Das «Anti-Viren-Glitzer-Experiment» beispielsweise ist zum viralen Hit geworden. Mit bunten Glitzerpartikeln kann schon kleinen Kindern spielerisch vermittelt werden, wie die Viren an den Händen haften und wie wichtig ausgiebiges Händewaschen ist.

Klebriger Glitzer an den Händen visualisiert das Virus, das nur durch gründliches Händewaschen entfernt werden kann.
(Quelle: https://www.facebook.com/stefanie.ehlers1/posts/3292833690745322, abgerufen am 06.05.2020)

 

Bereits sind zahlreiche Bilderbücher erhältlich, die den Kleinsten das Virus und dessen Auswirkungen erklären. Das Angebot reicht hier von selbstgezeichneten DIY-Büchlein bis zu kommerziellen Angeboten und die qualitative Spannweite ist gross. Die Inhalte sind dabei entweder fiktive Fantasiegeschichten oder realitätsnahe Szenarien. Aus didaktischer Sicht lässt sich sagen, dass sich das Gelernte besser auf den eigenen Alltag übertragen lässt, wenn die Lern- und die Anwendungssituation so ähnlich wie möglich sind. Fantasiegeschichten hingegen ermuntern Kinder, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zu erkunden und dienen daher eher als Anstoss für Diskussionen [5].

Erklärende Bilderbücher 
(Links: Deswegen bleiben wir zu Hause von Lea Hillerzeder und Agi Malach; Mitte: Corona-Krise verstehen – eine Geschichte für Kindergarten-Kinder von Ursula Leitl; Rechts: Coronavirus von Nosy Crow und Beltz & Gelberg, das Buch wird als kostenfreier Download zur Verfügung gestellt)

 

 

 

Für ältere Kinder und Jugendliche gibt es diverse Comics, die Corona thematisieren. Sachcomics sind ein gut geeignetes Medium, um durch Komplexitätsreduktion abstrakte oder schwer verständliche Inhalte zu veranschaulichen [6].

(Bild: Malaka Gharib / npr, https://www.npr.org/sections/goatsandsoda/2020/02/28/809580453/just-for-kids-a-comic-exploring-the-new-coronavirus, abgerufen am 06.05.2020)

Erklärende Videos sind online schon viele zu finden. Meist werden hier die Viren als böse kleine Monster dargestellt, die es zu bekämpfen gilt. Viele der Videos wirken etwas belehrend, bieten aber einen guten Überblick über Ursache und Folgen der Pandemie. Sie erklären, wie man sich schützen und wie jede*r Einzelne zur Verbesserung der Situation beitragen kann. Je nach Altersstufe der Zielgruppe sind diese unterschiedlich komplex und lang. Ebenfalls gibt es hier auf verschiedene Kulturen zugeschnittene Angebote.

Erklärfilm für Schweizer Kinder auf SRF my school. (abgerufen am 06.05.2020)

«Corona Se Daro Na» – Children’s Awareness Song auf Hindi (von Kutuki). (abgerufen am 06.05.2020)

Grundsätzlich gilt: Kinder wollen auch bei komplexen gesundheitlichen Themen informiert sein [7]. Letztlich geht es darum, Kindern die entsprechenden Informationen alters- und situationsgerecht zugänglich zu machen, diese einzuordnen und mit den Kindern zu besprechen. Authentizität und Ehrlichkeit sind dabei wichtige Eckpunkte.


Literatur

[1] https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialpolitische-themen/kinder-und-jugendfragen/kinderrechte.html

[2] Mayer, R. E. (2001). Multimedia learning. New York: Cambridge University Press.

[3] Grootens-Wiegers, P., de Vries, M. C., van Beusekom, M. M., van Dijck, L., van den Broek, J. M. (2015). Comic strips help children understand medical research. Targeting the informed consent procedure to childrens’s needs. Elsevier Ireland Ltd.

[4] Kaufmann, B., Drack, M., Scheuermann, A. (2018). Communication aids for nursing staff, foreign language patients and their relatives in paediatric care. Design4Health: Extract of the Proceedings of the 5th Conference on Design4Health. Design4Health: Sheffield.

[5] https://www.spektrum.de/news/wie-fantasie-kindern-beim-lernen-hilft/1431798 (abgerufen am 11.05.2020)

[6] Hangartner, U. (2016). Sachcomics. In: Abel, J., Klein, C. (Hrsg.) Comics und Graphic Novels. J. B. Metzler, Stuttgart.

[7] Olsen, P. R., Smith, S. (2018). Assisting adolescents and young adults with cancer to develop knowledge, competence and best practice, Springer International Publishing AG, S. 88.

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Beatrice Kaufmann

Beatrice Kaufmann works as a research associate at the Bern University of the Arts (HKB). Her field of interest is health care communication design and social design. She has extensive practical experience as a graphic designer and illustrator.

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