Von der Pandemie zur Parodie

Im vierten Teil dieser Blogreihe zu Infografiken beleuchten wir, wie traditionelle Infografiken zum Schauplatz parodistischer Äusserungen werden und wie – vor allem in den Social Media Kanälen – auf humoristische Ausdrucksweise auf die Corona-Pandemie reagiert wird.

Dürfen wir auch während der Corona-Krise lachen und uns über Memes lustig machen? Ja, Humor kann durchaus als Waffe gegen die Angst vor dem Virus eingesetzt werden. Ofra Nevo und ihr Team beschrieben bereits 1993 in ihrem Artikel «Humor and pain tolerance», dass wohltuender Humor und Lachen die Schmerztoleranz steigert. So führten Zeitungen wie bspw. der Tagesanzeiger Online-Rubriken ein («Humor gegen Virus-Krise – Lachen in Corona-Zeiten»), um die besten humoristischen Beispiele zusammenzutragen. So soll diese ernste Corona-Zeit (auch) mit Humor gemeistert werden und gesunder Humor kann durchaus systemrelevant sein, ohne den kruden Verschwörungstheorien zu folgen.

In diesem (positiven) Sinne adaptierten das Süddeutsche Zeitung Magazin und Die Zeit ihre traditionellen Kuchendiagramme zu Fragen rund um das omnipräsente Home-Office. Ein Kuchendiagramm ist auch Ausgangspunkt eines Memes, in dem «die Erwartung mit der Realität des Weltuntergangs» parodiert wird.

«Gefühlte Wahrheit», in: Süddeutsche Zeitung Magazin und «Torte der Wahrheit», in: Die Zeit
The Apocalypse, unknown source

In den sozialen Medien kursieren unzählige visuelle Statements zur Corona-Pandemie. Die Liste der Hashtags ist lang: #coronavirus, #coronakrise, #covid_19, #coronatime, #stayathome, #bleibdaheim, #stayhealthy, #coronamemes, #corona🍺  usw.

So dienen beispielsweise Metropläne oder Wohnungsgrundrisse als Metaphern, um auf unseren derzeitigen kleinen Bewegungsradius humorvoll hinzuweisen.

Fahrplan in Corona-Zeiten, unknown source
Brasilianische Version, unknown source
Top-Reiseziele 2020, unknown source

Selbstverständlich dürfen das Toilettenpapier und das Tragen von Gesichtsmasken in Zeiten der Corona-Pandemie nicht fehlen – ebenso werden berühmte Ikonen der Kunstgeschichte sowie Highlights der LP-Covergestaltung parodiert.

Screenshots von Facebook, Instagram, Twitter

Wie bereits in meinem Blogbeitrag zu Infografiken «Out of the Box» erwähnt, wird die Bedeutung von Social Distancing von namhaften Firmen aufgegriffen, indem sie temporär ihre Logos aktualisieren. Auch die Sportwelt spielt mit – trotz oder gerade wegen des Re-Starts der deutschen Bundesliga – und visualisiert die Wichtigkeit von Social Distancing.

Screenshots von Facebook, Instagram, Twitter

Da es derzeit noch keine speziellen Schutzimpfungen oder Medikamente gegen COVID-19 gibt, werden rund um den Globus unermüdlich Behandlungsmethoden erforscht. Bis diese aber alle klinischen Prüfungen durchlaufen haben, werden noch einige Covid-19-Behandlungen in den Social Media Kanälen parodiert.

Screenshots von Facebook

In der Zeit der Corona-Pandemie, wo täglich Medienkonferenzen stattfinden, werden diese Stellungnahmen minutiös mitverfolgt. So geht ein Versprecher schnell viral, wie beispielsweise derjenige von Daniel Koch, Delegierter des Bundesamts für Gesundheit für Covid-19, der statt «offenbar» von «Offenbier» sprach. Ebenso schnell viral geht auch unfreiwillige Satire, wie das Beispiel eines Trailers für die Daily Show zeigt.

Trailer der «Daily Show», Quelle: YouTube

Das Virus ist allgegenwärtig und in unserem Alltag schon so selbstverständlich, dass sich Tageszeitungen für ihre Rätselseiten dieser Abbildungen bedienen.

Luzerner Zeitung, 09.05.2020

Illustrationen und Cartoons ermöglichen in ihrer pointierten Ausdrucksweise, komplexe Sachverhalte klar und verständlich zu kommunizieren. Das Museum für Kommunikation in Bern postet aktuell auf seinem Instagram Account «Von Corona gezeichnet» aufheiternde Cartoons zur Corona-Krise und führt seine Tradition fort, jährlich einen humorvollen Jahresrückblick in Form der Ausstellung «Gezeichnet …» zu präsentieren.

Quelle: Twitter / @bomelino

Apropos illustrative Gebrauchsanleitung: Auf der Website Wash Your Lyrics können Sie – basierend auf Ihrem Lieblingssong – Ihre persönliche Händewasch-Infografik generieren.

Die Parodie und die humoristische Ausdrucksweise sind aber nicht nur in den Social Media Kanälen zu finden. Der Humor kann auch für konkrete Kommunikationsaufgaben verwendet werden, wie ein Beispiel aus Hamburg sehr schön zeigt. Dort wurde für eine Grund- und Stadtteilschule ein Set Aufkleber gestaltet, das für Abstand und achtsamen Umgang miteinander sorgen soll. Mit plakativen Illustrationen und aussagekräftigen Headlines werden die Schülerinnen und Schüler an die wichtigsten Hygiene- und Abstandsregeln erinnert.

Aufkleber-Set für Schulen nach dem Lockdown; Bureau Bald für die Hamburger Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg

Wir sehen: Auch in der offiziellen Kommunikation kann Humor (dosiert) eingesetzt werden und zur angemessenen Kommunikation beitragen. Wünschenswert ist, dass der Humor überhaupt vermehrt in der Kommunikation und in Kampagnen auftaucht – nicht nur in der Corona-Krise!

Nach diesem Ausflug in die humoristische Ausdrucksweise auf die Corona-Pandemie werden wir im nächsten Blogbeitrag mit Marc Brupbacher, Leiter Interaktiv-Team der Redaktion Tamedia, sprechen und erfahren, wie er und sein Team Datenvisualisierungen und neue Storytelling-Formate entwickeln und realisieren.

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Jimmy Schmid

Prof. Jimmy Schmid is a professor of Communication Design, head of the MAS studies Signaletics - Environmental Communication Design and senior researcher at the Bern University of the Arts (HKB).

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