«Design for Distancing»

Ein kollaboratives Projekt der US-Stadt Baltimore zeigt Wege auf für ein sicheres Zusammenleben im öffentlichen Raum trotz Corona-Pandemie. 

Die Ideensammlung wird online zur Verfügung gestellt (Bild: Design for Distancing)

Konzepte für einen sicheren post-Lockdown Sommer

Die Stadt Baltimore (USA) hatte in Zusammenarbeit mit dem Neighborhood Design Center im Mai 2020 einen öffentlichen Ideenwettbewerb lanciert, bei dem Konzepte gesucht wurden, wie sich der öffentliche Raum nach dem Lockdown im Sommer 2020 bespielen lässt, um das öffentliche Leben und die lokale Wirtschaft unter Einhaltung der Hygiene- und Distanzregeln sicher zu gestalten. Aus 162 Eingaben wurden schlussendlich zehn Gewinner-Konzepte ausgewählt, die in einem online zugänglichen Handbuch aufgeführt werden. Die Konzepte lassen sich einfach umsetzen und sind auch auf andere Städte übertragbar.

Doppelseite aus dem Handbuch: Jedes Konzept enthält neben Planskizzen auch eine Skala mit Angaben zu Kosten und Umsetzungsaufwand (Bild: Design for Distancing)

Jedes der darin enthaltenen Konzepte enthält neben Skizzen und Plänen auch Angaben zu den relativen Kosten, mit denen bei der Umsetzung zu rechnen ist. Sowie die Kosten für den Aufwand im Unterhalt und den handwerklichen Einsatz, der geleistet werden muss. Ausserdem sind die benötigten Materialien aufgelistet.

Die Stadt Baltimore setzt temporäre «Distancing Designs» um

Das Projekt beinhaltete neben dem Ideenwettbewerb und dem Handbuch auch die tatsächliche Umsetzung der Interventionen im öffentlichen Raum: Mit einem Budget von 1,5 Millionen Dollar aus der COVID-19 Small Business Assistance Initiative der Stadt Baltimore wurden im Sommer 2020 in 17 Distrikten der Stadt temporäre Interventionen umgesetzt. Jeder Distrikt wurde mit einem lokalen Design-Build-Team gepaart, um die Interventionen zu planen und umzusetzen. Finanziert wurde die Umsetzung durch die Stadt. Die finanzielle und logistische Beteiligung der Stadt bei der Umsetzung der Sieger-Konzepte garantierte, dass die Projekte nicht bloss im Ideenstadium stecken blieben, sondern tatsächlich realisiert werden konnten.

Implementierung in der Charles Street (Quelle: Facebook)

Partizipation in der Stadtentwicklung

Jennifer Goold, Geschäftsführerin des Neighborhood Design Center, erklärte in diesem Artikel in The Architect’s Newspaper, das unmittelbare Ziel der Initiative «Design for Distancing» sei es, Menschen nach dem Lockdown wieder ein sicheres Leben im öffentlichen Raum zu ermöglichen und kleinen Unternehmen zu helfen, trotz der Pandemie offen zu bleiben. Darüber hinaus könne es auch eine Lernerfahrung sein, die zu dauerhaften Veränderungen führt in der Art und Weise, wie Menschen den öffentlichen Raum nutzen und bespielen. Deshalb versteht sie die vorgeschlagenen Entwürfe auch als Anregung für die Wiederöffnungsstrategien anderer Städte.

Das Neighborhood Design Center, das den Wettbewerb auf die Beine gestellt hat, arbeitet seit über 50 Jahren in kollaborativen Stadtentwicklungsprojekten: Dabei werden bspw. Spielplätze gebaut oder verlassene Gebäude und leerstehende Grundstücke wieder nutzbar gemacht. Von der Zusammenarbeit zwischen Anwohnenden, Gemeindevertreter*innen, Designexpert*innen, lokalen Behörden und Organisationen profitieren einerseits strukturschwache Stadtgebiete. Andererseits wirken solche Projekte integrativ und bieten Teilnehmenden die Möglichkeit, die Gemeinschaft zu stärken und niederschwellige Lösungen zu realisieren. Design-Interventionen im öffentlichen Raum können im Fall der Corona-Pandemie dabei helfen, das öffentliche Leben und die lokale Wirtschaft aufrecht zu erhalten, indem sie dieses risikoarm gestalten.

Wo sind die kreativen Lösungen für den Corona-Winter?

Im Sommer 2020 ist es auch in der Schweiz recht gut gelungen, Social-Distancing-taugliche Lösungen für Bars, Restaurants und Veranstaltungen zu finden. Das soziale Leben spielte sich vor allem im Freien ab – bei warmen Temperaturen kein Problem. Die anstehende kalte Jahreszeit wird aber zur Herausforderung, da geschlossene Räume problematisch sind und oft auch der nötige Platz fehlt, um die geforderte Distanz einzuhalten. Der Einsatz von Heizpilzen im Freien ist umstritten (wie dieser Beitrag aufzeigt). Einige Gastrobetriebe setzen auf andere Lösungen wie durchsichtige Iglus, ausgediente Bergbahn-Gondeln oder zu Gästekojen umfunktionierte Gewächshäuser (siehe dazu auch diesen Artikel in der Luzerner Zeitung). 

Das Restaurant Brücke in Niedergösgen setzt auf beheizbare «Iglus» (Bild: Luzerner Zeitung)

Eines ist sicher: der Winter wird zur Herausforderung für das öffentliche Leben in pandemiegeplagten Städten. Neben dem Gastgewerbe müssen auch Kulturbetriebe wie Kinos, Theater oder Musikclubs neue und flexible Konzepte entwickeln, um auf immer wieder ändernde staatliche Vorgaben rasch reagieren zu können. Innovative, kreative und vor allem auch kostengünstige Lösungen sind gefragt. Deren Design kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Dies ist eine Chance für die Kreativindustrie, Verantwortung zu übernehmen und sich mit überzeugenden und alltagstauglichen Ideen zu positionieren. Eine Ideensammlung in Form eines Handbuchs, wie es in Baltimore entwickelt wurde, könnte ein Anfang sein.


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Beatrice Kaufmann

Beatrice Kaufmann works as a research associate at the Bern University of the Arts (HKB). Her field of interest is health care communication design and social design. She has extensive practical experience as a graphic designer and illustrator.

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